Nach 881 Tagen gelang mit dem Workshop „Nachhaltige Wiederbelebung der Innenstädte: Was kommt, was geht, was bleibt!“ am 21. November 2023 der Auftakt zum neuen Aktionsbündnis Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren in Sachsen-Anhalt. Die Veranstaltung entstand im Auftrag des Ministeriums für Infrastruktur und Digitales, dem Ministerium für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten sowie den beiden Industrie- und Handelskammern Magdeburg und Halle-Dessau. Der Fokus des Tages lag dabei auf den drei Themen Leerstandsmanagement, Aufenthaltsqualität und Belebung von Innenstädten. Staatssekretärin Stefanie Pötzsch und Staatssekretär Sven Haller begrüßten gemeinsam die rund 80 Teilnehmenden im Kurhaus der Stadt Bernburg (Saale).

In seinem Eröffnungsvortrag zeigte Dr. Mario Kremling ausgewählte Aktivitäten des Kompetenzzentrums Stadtumbau mit Bezug zum Themenkreis Innenstädte wie den Stadtumbau Award 2022 in Naumburg (Saale), den Wissenstransferworkshop 2022 zum Thema „Wiederbelebung der Innenstädte“ in Schönebeck oder die Städtenetzkonferenzen „Lebendige Innenstädte werden digital“ im Mai 2022 und „Mut macht Stadt“ im April 2023.

Im nachfolgenden Beitrag stellte Christopher Schmidt von der CIMA Beratung + Management die zentralen Erkenntnisse der Deutschlandstudie Innenstadt 2022 vor. Im Rahmen der Studie wurden im Zeitraum von Oktober bis November 2021 2.400 Personen bundesweit zum Kaufverhalten, zu den Perspektiven der Innenstädte und zu Verhaltensänderungen befragt. Dabei zeigte sich, dass die Besucher der Innenstädte viel Wert auf Informationen zu anstehenden Events und Veranstaltungen legen. Auch die Bedeutung von einkaufsbezogenen Dienstleistungen wie Bestellservice und Liefermöglichkeiten werden gewünscht. Aspekte einer Innenstadt wie Grünflächen, Sauberkeit, Gastronomie und Aufenthaltsqualität gewinnen dabei an Bedeutung. Regionalität und Nachhaltigkeit bei Angeboten werden ebenfalls immer wichtiger. Innenstädte stellen nicht mehr Orte des Konsums dar, sondern wandeln sich hin zu Erlebnis- und Erholungsorten. Dabei rückt die nachhaltige Mobilität zum Erreichen der Innenstadt zunehmend ins Bewusstsein.

Der dritte Beitrag von Antje Bauer, Geschäftsführerin des Bereichs Starthilfe und Unternehmensförderung bei der IHK Halle-Dessau lieferte Einblicke in die Umfrage zur Anziehungskraft von Städten und Gemeinden in Sachsen-Anhalt, in der die IHKs im Februar 2023 Kommunen, Wirtschaftsförderer und Gewerbetreibende sowie Vertreter von City- und Werbegemeinschaften befragte. Die Umfrage stützte die Meinungen, dass Innenstädte sauberer, sicherer und belebter werden sollten. Handlungsbedarf wird auch beim Ausbau der Radwegeinfrastruktur und der digitalen Infrastruktur gesehen. Für junge Menschen und Familien sind Innenstädte zunehmend Orte zum Treffen und Verweilen, weshalb in puncto Aufenthaltsqualität großer Handlungsbedarf gesehen wird. Dabei müssen auch die Rahmenbedingungen zur Verbesserung der Innenstädte geschaffen werden, was unter anderem die Entbürokratisierung von Genehmigungsverfahren, die Erweiterung von Beratungsangeboten oder auch die Unterstützung bei der Zwischennutzung von Leerständen betrifft.

Im Anschluss an die drei Eingangsvorträge folgten spannende Einblicke aus der Praxis zur Wiederbelebung von Innenstädten. Hierzu zeigten Roger Warthemann, Citymanager der Stadt Bernburg (Saale), und Katrin Hitziggrad, Geschäftsführerin des Büros Die Zukunftsoptimisten Kreative & koproduktive Stadtentwicklung aus Jena, Beispiele für gelungenes Leerstandsmanagement in Innenstädten auf. Die Stadt Bernburg (Saale) setzt zur Belebung von leerstehenden Ladenlokalen etwa auf die grundmietfreie Nutzung durch Start Ups und die aktive Unterstützung bei der Vermarktung. Voraussetzung hierfür war zunächst eine intensive Datenerhebung und Auswertung zum Zustand der so genannten Innovationsmeile in der Bernburger Innenstadt. Derzeit arbeitet das Citymanagement am Aufbau einer digitalen Informationsplattform. Einen anderen Ansatz wählt das Jenaer Büro Die Zukunftsoptimisten um Katrin Hitziggrad. Der Fokus ihrer Arbeit liegt in der Aktivierung von Eigentümern, um leerstehenden Immobilien neue Nutzungen zuzuführen. Den engagierten Nutzern von Leerständen soll Wissen vermittelt werden, um Immobilien selbstermächtigt verwalten zu können. Dabei setzt sie auf einen intensiven Dialogprozess zwischen den Akteuren und zeigte im Workshop auf, dass leerstehende Räume auch als Potenzialräume gesehen werden sollten, in denen kreative Nutzungen über das Ausprobieren möglich sind.

Der nächste Themenblock zeigte Praxisbeispiele zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität auf. Eingeladen waren hierzu Henning Rode, Wirtschaftsförderer und Stabstellenleiter in der Welterbestadt Quedlinburg, sowie Lisa Reinhold vom Thüringer Aktionsbündnis „Innenstädte mit Zukunft“. Die Welterbestadt Quedlinburg beschäftigt sich seit einigen Jahren intensiv mit der Steigerung der Aufenthaltsqualität, sei es durch die Herstellung von Barrierefreiheit im öffentlichen Raum oder die Gestaltung von Personenunterführungen zur Erhöhung des Sicherheitsgefühls. Durch multifunktionale Räume in der Innenstadt sowie der Einrichtung eines Büros für das Citymanagement konnte die Aufenthaltsqualität in der denkmalgeschützten Innenstadt kontinuierlich erhöht werden. Lisa Reinhold zeigte mit dem Projekt der Wanderbaumallee einen nachhaltigen Ansatz auf. Hierbei geht es um die temporäre Bereitstellung von Bäumen in Innenstädten, die dann nach einem definierten Zeitraum in die nächste Stadt ziehen. Auch das Projekt Klimataler, bei dem über eine App Punkte bei der Einsparung von CO2 gesammelt und anschließend bei Projektpartnern eingetauscht werden können, wurde vorgestellt. Die Beispiele aus Thüringen zeigten, dass die Wiederbelebung von Innenstädten auch unter Berücksichtigung des Klimaschutzes funktioniert.

Und wie gelingt es, den Innenstädten mehr Leben einzuhauchen? Dies zeigten Frank Fischer, Citymanager der Stadt Aschersleben, und Corinna Köbele, Vorsitzende des Künstlerstadt Kalbe e.V., anhand ihrer mitgebrachten Beispiele. In der ältesten Stadt Sachsen-Anhalts setzt man hierzu auf Maßnahmen zur Steigerung des Einkaufserlebnisses, zunächst durch den Cityplan, welchen das Citymanagement erarbeitet hat und der zahlreiche Informationen zu den ansässigen Geschäften der Innenstadt bietet. Ebenfalls gibt es den Grünen Markt in Ergänzung zum regulären Wochenmarkt, welcher Anziehungskraft für die Innenstadt ausübt. Der Künstlerstadt Kalbe e.V. zeigte hingegen auf, wie ein verschlafenes Dörfchen in der Altmark durch die Einbeziehung von jungen Kunstschaffenden und der Lokalbevölkerung für überregionales Aufsehen sorgte und damit den Zusammenhalt im Ort gestärkt hat. Zur Belebung der Innenstadt verhalfen verschiedene Veranstaltungen, Festivals und Events, die allesamt die Identifikation der Bevölkerung mit der Stadt Kalbe (Milde) festigten und den Wunsch nach Verstetigung hervorbrachten.

Nach der Mittagspause konnten dann an Thementischen zu den drei zentralen Themen Leerstandsmanagement, Aufenthaltsqualität und Belebung weitere Gedanken zwischen den Teilnehmenden ausgetauscht werden. Hierbei sollte den Teilnehmenden gezeigt werden, welche Maßnahmen zum Gelingen der Wiederbelebung von Innenstädten beitragen und welche Maßnahmen und Umstände dabei hinderlich sind. Der Austausch in den Gruppen war sehr intensiv und führte schließlich zu einer umfangreichen Sammlung von Ideen und Anregungen. Die größte Herausforderung für ein erfolgreiches Leerstandsmanagement dürften die Eigentumsverhältnisse und das fehlende Engagement der Eigentümer sein, insbesondere wenn diese Vorbehalte hinsichtlich möglicher Zwischennutzungen haben. Interessant ist der Ansatz der Schaufenster-Bespielung, um leerstehende Läden zumindest optisch aufzuwerten und einer temporären Nutzung zuzuführen. Innenstädte sollten zudem nicht monofunktional dem Einkaufen dienen, sondern auch als Wohnorte betrachtet werden. Zur Steigerung der Aufenthaltsqualität sollten künftig verstärkt junge Menschen einbezogen werden, beispielsweise zur Gestaltung von öffentlichen Plätzen. Große Bedeutung wird dem Citymanagement zugeschrieben und sollte als Pflichtaufgabe einer Kommune gesehen werden. Dem entgegen stehen das fehlende Sicherheitsgefühl, fehlende Möglichkeiten der Müllentsorgung sowie fehlende Stadtmöblierung, welche sich negativ auf die Aufenthaltsqualität auswirken. In der letzten Gruppe tauschten sich die Teilnehmenden über funktionierende Maßnahmen zur Belebung von Innenstädten aus. Ratsam ist die Verknüpfung von Veranstaltungen mit Aktionen, um daraus Synergieeffekte wie eine erhöhte Verweildauer der Passanten nutzen zu können. Viel Arbeit macht es auch, bei den Innenstadtakteuren Begeisterung für eine gemeinsame Sache zu wecken und die Akteure miteinander zu vernetzen. Hier ist viel Überzeugungsarbeit gefragt. Eine große Herausforderung stellt dazu die Vereinheitlichung der Öffnungszeiten dar. Auch hier müssen die Ladenbetreiber angesprochen und von den Vorteilen überzeugt werden.

Der gemeinsame Austausch in der Schlussrunde des Workshops hat dann gezeigt, wir haben schöne Innenstädte! Doch die Attraktivität einer Stadt bemisst sich nicht nur an den Angeboten in der Innenstadt, sondern auch an den Angeboten in der gesamten Stadt. Innenstadtbelebung gelingt nur mit viel Fleiß und Zeit, mit steter Netzwerkarbeit und Kommunikation aller Innenstadtakteure. Zudem sollten Leerstände auch als Potenziale erkannt werden, um Räumlichkeiten neue Nutzungen zuzuführen, jenseits von Einzelhandel. Um der Bedeutungszunahme der Innenstadt als Treffpunkt gerecht zu werden, bedarf es zusätzlich der Verschönerung und Ausweitung von Grün- und Aufenthaltsflächen. Fakt ist, die Innenstädte, wie wir sie von früher kennen, wird es künftig nicht mehr geben. Und damit umzugehen, wird die zentrale Herausforderung der kommenden Jahre.

Die Präsentationen der Veranstaltung stehen unter https://kompetenzzentrum-stadtumbau.de/veranstaltungen/ zum Download bereit.